Von der Idee zur Realisierung Finanzierung eines Biomassekraftwerkes (BHKW)
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Aus der Praxis für die Praxis
Der Ausbau von Erneuerbaren Energien ist unerlässlich. Bioenergie ist in aller Munde. Dabei gewinnt die Nutzung der Biomasse für energetische Zwecke ein zentrales Thema zu werden. Biomasse leistet einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz durch Kraft-Wärme-Kopplung und wird einen erheblichen Anteil zu unserer Grundversorgung beitragen. Um die vergleichsweise überschaubaren Mengen verfügbarer Biomasse möglichst effiziet zu nutzen sind Einfallsreichtum, gepaart mit entsprechender Eigeninitiative nötig. Für Unternehmer und Finanzierer stellt die Finanzierung eine zentrale Herausforderung dar. Die schwierige Beurteilung einer Projektfinanzierung, die internen wie externen Rahmenbedingungen der Finanzentscheider und sich erst im Aufbau befindliches Spezialwissen, sind in der Zeit eines zentralen Umbruchs für alle Beteiligte die Herausforderung der nächsten Jahre.
Zehn beispielhafte Schritte zur Realisierung eines Biomassekraftwerkes:
1. Der Standort 2. Die Öffentlichkeit 3. Der Genehmigungsprozess (inkl. Gutachter) 4. Die Planungen (Basic Engineering, Architekten,Projekt- u. Prozess-Ingenieure) 5. Die Brennstoffe (Biomasse, Verträge) 6. Die Technik (Gutachten, Komponenten) 7. Die Lieferanten (Stoffe und Technik) 8. Die Abnehmer (Strom u. Wärme) 9. Die Versicherungen 10.Eigenkapital Fremdkapital (Gesamtfinanzierung)
1. Der Standort
Für die Standortprüfung muß reichlich Zeit (Monate) eingeplant werden. Zwingend ist die Sammlung folgender Informationen:
- wie ist die Einstellung der Kommunen zu einem derartigen Vorhaben - wie könnten die angrenzenden Nachbarn reagieren (nicht aus juristischer, sondern aus emotionaler Sicht Einsprüche!) - welche logistische Auswirkungen sind erkennbar (höheres Verkehrsaufkommen) - gibt es Reservegelände für mögliche Erweiterungen (u.a. Redundanzen, Bau einer Pelletfabrikation) - sind mehrere Industriebetriebe als Wärmeabnehmer in Reichweite - was läßt der vorliegende Bebauungsplan zu - können die Eigentumsverhältnisse im normalen Verfahren geregelt werden.
TIPP: Erst wenn in allen Bereichen eine positive Grundeinstellung geschaffen wurde, kann das Projekt in eine start up Phase münden!
2. Die Öffentlichkeit
Grundsätzlich gilt: Alle Beteiligten und Betroffenen (Kommunen, Landratsämter, Regierungspräsidium, umliegende Betriebe, Nachbarn und Bürger) sind klar, frühzeitig und verständlich zu informieren. Schaffen Sie bei allen Vertrauen in das Projekt. Die Erfahrung zeigt, dass in vielen Fällen z.T. Horrorszenarien im Vorfeld gerüchteweise gehandelt werden. Gegen das Unwort Müllverbrennungsanlage muß durch sorgfältige Informationspolitik mit kompetenten Referenten öffentlich angekämpft werden. Gerade die betroffenen Bürger sind sehr wissbegierig und daran interesssiert, die noch bestehenden Irritationen zu beseitigen.
Erfreulich ist in diesem Zusammenhang festzustellen: Die Grundeinstellungen sind zu meist positiv; durch einzelne Quertreiber kann aber das Projekt (BHKW) verzögert und damit auch verteuert werden. Mindestens eine öffentliche Veranstaltung in der regionalen Kommune ist zwingend erforderlich. Hier sollten zumindest folgende Personenkreise auftreten:
Bürgermeister und Gemeinderäte Genehmigungsbehörde Neutraler Gutachter Technik Juristischer Berater der Kommune Brennmateriallieferant bzw. Forsten
Die Informationen an Dritte erfordern ein weitgehend abgeschlossenes techniches Konzept, damit die möglichen Auswirkungen in den Bereichen Lärm, Staub und Geruch mit konkreten Zahlen unterlegt werden können.
TIPP: Es gilt der Leitspruch: Informieren so spät wie nötig so früh wie möglich. Je mehr konkrete Werte und Pläne vermittelt werden, desto höher sind die Pro-Quoten bei den Betroffenen.
3. Die Genehmigung
Beim Einstieg in den Genehmigungsprozess (4.BImSchG 17.BImSchG) sollte ein neutrales Gutachten oder eine Due Diligence einer Institution (z.B. Steinbeis Stiftung, Technische Fachhochschule, TÜV oder DEKRA) vorliegen. Aus solch einem Gutachten können wesentliche Fragen mit der Genehmigungsbehörde (immer regional angesiedelt) im Vorfeld abgestimmt werden.
Es gibt verschiedene Wege in den Genehmigungsprozess einzusteigen:
entweder komplett extern in Auftrag zu geben (z.B. DEKRA) mit Architekten und Ingenieurbüros (mit klarer Kompetenzregelung) als Partner oder alles einem Generalunternehmer übertragen.
Es gibt keinen Königsweg entscheidend ist wie so oft die Qualität der handelnden Personen und die budgetierten Kosten.
TIPP: Für die Genehmigung ist die uneingeschränkte Zustimmung der Kommunen erforderlich. Für den Genehmigungsprozess sollte die Verantwortung beim Projektentwickler , Projektleiter eindeutig angesiedelt sein. Mit einem Zeitfenster von 3 6 Monaten ist zu rechnen. Voraussetzung einer Finanzierungszusage bzw. der Einsatz von Fremdmittel ist zumindest die Vorlage einer Teilbetriebsgenehmigung.
4. Die Planungen
Hier sind die verschiedenen Planungsbereiche zu beleuchten:
- Basic Engineering (Ingenieure mit Erfahrung Bereich Verfahrens-u. Verbrennungstechnik sowie Kesselbau) - Prozess Engineering (Investitionsplanung) - Architekten (Bauplanung) Am Anfang steht die Konzeptions- und Verfahrensplanung. Dabei kann entweder mit einem ausgewählten, qualifizierten Generalunternehmer, mit partnerschaftlichen Architektur und Ing.- Büro, oder TÜV bzw. DEKRA zusammen gearbeitet werden. Wichtig ist dabei: die Projektverantwortlichen sollten möglichst schon über Erfahrungen aus ähnlichen Projekten verfügen.
Generell vorliegen sollte:
Ein vollständiger Investitionsplan in dem die gesamten Leistungen/Anforderungen und Kosten abgebildet werden.
Ebenso ein Projektzeitplan mit Meilensteinen als Zwischenziele.
Der Investitionsplan zeigt alle Gewerke und alle Kostenstellen sowie die Sicherheitsreserven für Anlaufkosten , Bauzwischenfinanzierungskosten und Preissteigerungsrücklagen. Je mehr konkrete Angebote von Komponentenlieferanten vorliegen, desto genauer wird die Kostenplanung. Die Zahlen bilden auch die Basis für die vom Finanzierer einzusetzenden (Eigenen oder Dritte) ausgewählten Gutachter. Hier handelt es sich nicht um die im Vorfeld eingebundenen, selbst ausgewählten Gutachter, sondern hier kommen die vom Finanzierer qualifizierten neutralen Experten zum Einsatz.
Die von allen Beteiligten entwickelte und fundierte Investionsplanung ist vor Beginn der Massnahme als verbindliches Gesamtinvestitionsvolumen zu dokumentieren. Die Investitionsplanung begleitet den Prozess fortlaufend und zeigt stets den aktuellesten Stand (Soll Ist Vergleich). So werden z.B. eingetretene Preiserhöhungen, erforderliche Mehrleistungen sofort sichtbar und können gezielt Gegenreaktionen auslösen.
Ziel: Kostenerhöhungen können hierdurch in der Gesamtheit besser vermieden und alternative Möglichkeiten (Technik) noch rechtzeitig eingeleitet werden.
TIPP: Durch das Installieren eines permanenten Projekt-Controllings können sich Projektleitung und Finanzierer fortlaufend über die Einhaltung der Planung ein abgesichertes Bild verschaffen und auf überraschende Entwicklungen rechtzeitig reagieren.
5. Die Brennstoffe (Biomasse)
Die langfristige Sicherung (mindestens 5 eher 10 Jahre) der Brennmaterialien ist eine zwingende Grundvoraussetzung für den Betrieb eines BHKW und bei Nichtvorhandensein ein absolutes ko-Kriterium.
Die Versorgung mit Brennstoffen ist zunehmend schwieriger geworden; ein Wettbewerb um die Biomasse hat begonnen. Neben den üblichen Entsorgern treten Forsten und Kommunen direkt am Markt auf. Sägewerke sind heute schon weitgehend im Bereich Pelletfabrikation vertraglich ausgereizt. Bei den Vertragsverhandlungen ist sehr auf die tatsächliche vertragliche Erfüllbarkeit bei Menge und Qualität zu achten; vertraglich zu vereinbaren ist immer der jeweilige Jahresbedarf an Brennstoffen.
Auf folgende Fragen sollten Antworten vorliegen:
- Können die benötigten Mengen immer fristgerecht geliefert werden? - Reichen die eigenen Lagerkapazitäten vor Ort aus, bis alternative Lieferungen eintreffen? Die Preise für die Tonne Biomasse sind z.Z. meist nur für 1 Jahr fest aushandelbar (bei 5-10 Jahresverträgen). In der Folge besteht somit ein latentes Preisrisiko auf das man sich einstellen muß.
Ein eigenes hohes Lager aufzubauen ist teuer und birgt Umweltgefahren. Daher werden die Brennstoffe in der Regel bei den Lieferanten gelagert und sind entsprechend dem Bedarf just in time abrufbar. Die angelieferten Stoffmassen unterliegen permanenten mehrstufigen Versand- und Eingangskontrollen.
TIPP: Die Qualität beim Brennstoff entscheidet über den wirtschaftlichen Erfolg eines Biomassekraftwerkes. Über Materialzusammensetzung und genaue Einhaltung der Lieferbedingungen sollten im Vorfeld laufend Informationen bei schon in Betrieb befindlichen Anlagen zwingend eingeholt werden (mehrfache Besichtigungen vor Ort zeigen die Stärken und Schwächen der Verarbeitung).
6. Die Technik
Am Markt gibt es unterschiedliche Anlagetechniken nur wenige sind direkt vergleichbar. Die Erfahrungen zeigen, dass
- trotz intensiver Planung die Anlaufphase immer spannend und meist mit überraschenden (negativen) Erlebnissen verbunden ist - oftmals um- und nachgebaut werden muß; was mit erheblichen Mehrkosten verbunden ist - trotz Begutachtungen von mehreren Seiten, Risiken in der Fertigstellung nicht auszuschließen sind.
Die Technik muß immer so sorgfältig konzipiert werden, dass die Einhaltung der von der Genehmigungsbehörde vorgegebenen Rahmenbedingungen (BImSchG) immer eingehalten werden.
Ein wesentlicher Faktor liegt in der Qualität der am Projekt beteiligten Ingenieuren. Diese müssen mit den vertraglich beauftragten Anlagenkomponentenfirmen sehr eng zusammen wirken. Weitere Risiken liegen in den verschiedenen Zeitfenster beim Aufbau und der Inbetriebnahme. Lieferfristen von 18 Monaten (Turbinen, Pumpen, Luftkondensatoren) und mehr sind heute am Markt üblich. Dabei wird eine weitere bedeutsame Nebenerscheinung sichtbar: die Preise für Anlagenteile mit kürzeren Lieferfristen laufen davon (Achtung: Auswirkung auf Investitionsplanzahlen).
TIPP: Die Besichtigung von möglichst mehreren Biomassekraftwerke die mit zum Teil baugleicher Technik arbeiten, erlauben eine fundiertere Beurteilung des eigenen Vorhabens. Dabei sind die Informationen über Brennmaterial und Betriebsstillstände (für Nachbesserungen) die wichtigsten Erkenntnisse.
7. Die Lieferanten
Hier zeigen sich zwei Schwerpunkte:
- Lieferanten von Brennstoffen (Biomasse) - Lieferanten Anlagentechnik/Bau
Im Bereich Brennmaterial gilt:
- kann der oder können die Lieferanten die erforderliche Menge und Qualität nachhaltig leisten? Zur Absicherung dieser Position, sollten neben dem Vertragswerk auch die anderen Abnehmer gefragt, die Lagerkapazitäten beim Lieferanten und der Beschaffungsmarkt beleuchtet werden. Auch die Logistik ist ein Thema.
Angesichts des derzeitigen Veränderungsprozesses ist es von Vorteil, fortlaufend den Biomassemarkt durch den Anlagenbetreiber beobachten zu lassen, um jederzeit sich bietende Chancen bei neuen Marktteilnehmern nutzen zu können.
Im Bereich Anlagetechnik/Bau gilt:
- liegen ausreichend Referenzen aus nationalen und internationalen Projekten vor - wie stabil sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftragnehmers (Wirtschaftsauskünfte einholen), d.h. können die Gewährleistungsfristen überlebt werden - können die vertraglichen Vereinbarungen fristgerecht mit den geforderten Qualitätsstandards eingehalten werden.
TIPP: Je besser man die Partner kennt und je höher die Flexibilität in allen Bereichen dokumentiert wird, desto stabiler wird das Zusammenwirken und Gelingen am gemeinsamen Projekt sein.
8. Die Abnehmer
a) Strom
Der Abschluß eines Einspeisevertrages (Preis und Laufzeit) ist nach EEG vom 1.8.2004 geregelt; der Netzbetreiber ist verpflichtet den Strom vom Anlagenbetreiber gegen Vergütung (Preisbindung) abzunehmen. Ansprechpartner ist der regionale Netzbetreiber.
b) Wärme
Mit dem/den Wärmeabnehmern sollte ein mehrjähriger (mind. 7 möglichst 10 Jahre) Wärmelieferungsvertrag geschlossen werden (return off invest). Der Wärmepreis basiert auf einem kumulierten, indizierten Arbeitspreis, der sich an diversen Indizies orientiert. Jährliche Anpassungen. Wichtig ist das vertragliche quantitative und qualitative Abnahmevolumen und die Nachhaltigkeit. Angesichts der speziellen Investitionskosten (Leitungen etc.) ist eine möglichst lange Vertragslaufzeit zweckmässig. Bonität prüfen. Auch die Suche nach mehreren Wärmeabnehmer in unmittelbarer Nähe des BHKW sollte zum Geschäftsmodell gehören (im Rahmen der Kapazitäten).
TIPP: Reine Verstromung ist wirtschaftlich riskant, daher sollte stets ein Großteil der Erlöse aus dem Wärmeverkauf stammen. Beides sichert bei Vollbetrieb eine stabile und nachhaltig erfreuliche Ertragslage.
9. Versicherungen
Für alle Aufbau- und Betriebsphasen sind alle Risiken versicherbar. Abschluß vor Beginn der Massnahme zwingend. Um Schnittstellendiskussionen zu vermeiden, sollten möglichst alle Policen bei einem Versicherer abgeschlossen werden.
TIPP: Möglichst frühzeitig die Gespräche mit den Versicherer aufnehmen. Kosten in die Planung einstellen.
10. Eigenkapital Fremdkapital
Ein Investor und/oder Anlagenbetreiber muß sich im Klaren darüber sein, dass eine EK-Quote zwingend erforderlich sein wird. Während man in der Vergangenheit gerade beim Anlagenbau/der Projektfinanzierung von Mindestgrößen (sowohl beim Gesamtinvestitionsvolumen, als auch bei der EK-Quote) sprach, ist heutezutage dies kein ko-Kriterium mehr. Vielmehr zählen auch hier die ganzheitlichen Elemente des Projektes; das sind insbesondere im Sinne des Ratingprozesses die qualitativen und quantitativen Faktoren in dem Entscheidungsprozess. Aber immer noch gilt, je höher der Eigenkapitaleinsatz, desto besser für die Gesamtfinanzierung.
Die einzusetzenden Eigenmittel können die Initiatoren auch durch den Einsatz von Fonds- und Beteiligungskaptial optimieren. Wichtig dabei: Rendite und Rückzahlungszusagen müssen in den mehrjährigen Geschäftsplan passen. Zu jedem Vorhaben muss im Vorfeld ein mehrjähriger Businessplan erstellt werden.
Das Fremdkapital wird in Deutschland in der Regel überwiegend von Kreditinstituten zur Verfügung gestellt. Angesichts der für spezielle Projektfinanzierung erforderlichen Kenntnisse, konzentrieren die Banken, Sparkassen und Volksbanken, die Entscheidung auf möglichst zentrale, überregionale Gremien und das ist gut so.
Nichtsdestotrotz wird es immer wichtiger, dass gerade regionale Institute über ausreichend Grundkenntnisse verfügen sollten, um Anfragen von Unternehmer schon bei Einstiegsgesprächen kompetent bewerten und beurteilen zu können. Unternehmer und Finanzierer sollten schon beim Erstkontakt die Balance zwischen Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken erkennen und einschätzen können.
TIPP: Um die Finanzierungsmöglichkeiten der kleinen und mittleren Unternehmen für Investitionen zur Nutzung der Bioenergie zu verbessern, haben sowohl Bürgschaftsbank als auch L-Bank den Zugang zur Fremdkapitalfinanzierung über die Kreditwirtschaft inzwischen wesentlich erleichtert.
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