Unternehmensfinanzierung heute - morgen

Datei downloaden: artikel_alster.pdf Artikel als Download

Die anstehenden Veränderungen in der Finanzierungslandschaft werden seit Jahren diskutiert, ohne dass das Gros der Unternehmer bislang ausreichend auf die Herausforderungen reagiert hat. Inzwischen stellt die Finanzierung für viele größere Mittelständler ein Problem dar. Die schwierige Ertragslage belastet die Liquidität, die Zurückhaltung der Banken verringert die Spielräume und bedroht die langfristige Finanzierungsplanung. Worin sehen Finanzentscheider in dieser Zeit des Umbruchs die zentralen Herausforderungen? Wie gestaltet sich die Finanzierungsstruktur größerer Mittelständler heute und morgen?


Deutschlands Finanzentscheider sorgen
sich um die Finanzierung von morgen

Für knapp 50 Prozent aller Unternehmen haben sich die Finanzierungsbedingungen gegenüber dem Vorjahr verschlechtert. Rund ein Drittel kämpft mit dem Problem, überhaupt noch Kredite zu bekommen. Größere Unternehmen zeigen sich etwas optimistischer als die kleineren und mittleren. Immerhin glauben aber auch 59 Prozent der Unternehmen mit einem Umsatz von über 500 Millionen Euro, dass die Finanzierung in Zukunft schwieriger wird. Die Ursache liegt allerdings nicht nur in der restriktiven Kreditvergabepolitik der Banken. Viele Unternehmen haben es, trotz des zunehmenden Drucks, versäumt, sich den Anforderungen anzupassen. Ein Teil der Finanzierungsprobleme sind also durchaus hausgemacht.


Druck der Kapitalgeber und Steuerungsfunktion

Eine transparente Rechnungslegung haben sich die Finanzverantwortlichen nicht nur unter dem Druck der Kapitalgeber auf die Fahnen geschrieben. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kommt es darauf an, das Unternehmen zielgenau auf Kurs zu halten. Dazu muss der Unternehmenslenker jederzeit die Situation exakt einschätzen können. Die interne Steuerungs-funktion einer transparenten Bilanzierung wird auch in größeren mittelständischen Unternehmen zunehmend geschätzt, wenn auch geeignete Reporting-Instrumente nicht überall zum Einsatz kommen.


Alternativen zum Bankkredit und Sicherung
der Liquidität als Finanzierungsthemen

Die Sorgen der deutschen Finanzentscheider um ihre Finanzierung zeigt sich in ihrer Prioritätenliste für das kommende Jahr. Den Handlungsspielraum durch Liquidität zu erweitern, steht ganz oben auf der Agenda. Liquidität spielt bei den Finanzierungszielen eine zentrale Rolle. Während früher das Ergebnis nach Steuern im Vordergrund stand, zählt heute mehr denn je der Cashflow. Die zweite große Herausforderung sehen deutsche Unternehmer in der Suche nach Alternativen zum Bankkredit. Etliche Banken ermuntern ihre Kunden derzeit, sich alternative Finanzierungswege zu erschließen. Allerdings fehlt es meist an geeigneten Finanzierungsinstrumenten:

- Der direkte Zugang zum Kapitalmarkt in Form eines Börsengangs – ohnehin nur für eine Minderheit geeignet ist
  weitgehend blockiert. Ein kurzfristig aufnahmefähiges Mittelstandssegment ist zur Zeit nicht in Sicht.

- Die Ausgabe von Anleihen erfordert Volumina im dreistelligen Millionenbereich. Andere Formen der Wertpapierausgabe wie
  Genussscheine sind aufgrund der hohen Emissionskosten erst ab rund 20 Millionen Euro Emissionsvolumen
  wirtschaftlich.

- Der Markt für Beteiligungskapital deckt die wichtige Größenklasse von ein bis fünf Millionen Euro bisher kaum ab.

Die Erschließung des Kapitalmarktzuganges für den Mittelstand erfordert also einen neuen Lösungsansatz.


Die Schließung der Eigenkapitallücke

Dieser Lösungsansatz muss für den Mittelstand zudem ein zweites Finanzierungsproblem lösen: die mangelhafte Eigenkapitalausstattung. Die geringe Eigenkapitalquote von durchschnittlich 18 Prozent beeinträchtigt die Bonität und führt zur Zurückhaltung potenzieller Kapitalgeber. Zur Lösung dieses Problems kommen prinzipiell zwei Quellen in Betracht:

- Kapitalerhöhungen aus dem bestehenden Gesellschafterkreis: dieser Weg erfordert oft hohen Abstimmungsbedarf
  (z.B. in der Familie) und ist (z.B. im Rahmen von Nachfolgeregelungen) nicht immer strategisch sinnvoll.

- Aufnahme neuer Gesellschafter: Soweit das erforderliche Volumen von einem geeigneten neuen Partner angeboten wird,
  müssen in aller Regel echte Mitspracherechte eingeräumt werden bei mittelständischen Unternehmern nicht sehr beliebt.
  Vor diesem Hintergrund sucht der Mittelstand bevorzugt eine wirtschaftliche Kapitalform, die als Eigenkapital ausweisbar ist,
  aber keine Mitspracherechte bedingt.


Der Mittelstandsfonds Eigenkapital vom
Kapitalmarkt für den Mittelstand

Eine geeignete Kapitalform könnten Mittelstandsfonds darstellen, eine speziell auf den Mittelstand zugeschnittene Form der atypischen stillen Beteiligung. Auf Seiten des Kapitalnehmers werden die Mittel dem bilanziellen Eigenkapital zugerechnet, während sie für den Kapitalgeber eher fremdkapitaltypisch ausgestaltet sind, insbesondere hinsichtlich der Gesellschafterrechte. Damit gelingt sowohl die Sicherstellung der Liquidität als auch die Verbesserung der Eigenkapitalquote. Die Unternehmensbonität wird so nachhaltig verbessert.

Mit der Auflage des Mittelstandsfonds steht ein geeigneter Emissionsstandard und ein wichtiger, innovativer Emissionsweg bereit. So werden Emissionen bereits ab einer Million Euro attraktiv und damit erstmals wirklich mittelstandstauglich. Der Mittelstandsfonds bietet Beteiligungen mit einer Laufzeit von fünf Jahren an. Die Ausschüttungserwartungen sind von der Bonität des Unternehmens abhängig und liegen trotz der Klassifizierung als Eigenkapital zwischen den Ansprüchen von Fremd- und Eigenkapitalgebern: Derzeit kann ein Rating-BBB-Emittent insgesamt mit etwa 12 Prozent, aufgeteilt in einen fixen, jährlichen und einen variablen, endfälligen Bestandteil rechnen. Die Unternehmen sollten etablierte Mittelständler sein, die über ein Eigenkapital von mindestens einer Million Euro verfügen und einen Ratingwert von mindestens BB vorweisen bzw. erreichen können. Aus Sicht des mittelständischen Unternehmers können damit jetzt die drei wohl wich-tigs-ten Anforderungen gemeinsam erfüllt werden:

Unternehmerische Freiheit (Kapital vom Kapitalmarkt, unveränderte Machtverhältnisse und finanzwirtschaftliche Unabhängigkeit), Bonität (erhöhte Eigenkapital-Quote, optimierte Kapitalstruktur und Sicherung des Fremdkapitals) und Kostenersparnis (Wachstumsaufwand wird von Fonds übernommen, Gesamtkapitalkosten optimiert und geringe Transaktionskosten).


Kriterien für die Auswahl von
Finanzierungsinstrumenten

Es gibt keine perfekten Finanzierungsinstrumente, nur passende. Die Unternehmen wählen Finanzierungsformen, die verfügbar sind und ihren Bedürfnissen am besten entsprechen. In Deutschland regieren zwei Bedürfnisse: Liquidität und Sicherung der langfristigen Verfügbarkeit. Beide Prioritäten sind leicht zu erklären. Zahlreiche Unternehmen leiden unter einer angespannten Liquiditätslage. Die aktuell hohen Insolvenzzahlen sind nicht allein auf untaugliche Geschäftsideen, operative Verluste und schlechtes Management zurückzuführen. In vielen Fällen führen auch ausgefallene Forderungen, eigenmächtig verlängerte Zahlungsziele durch die Debitoren und Liquiditätsengpässe in Wachstumsphasen zur Zahlungsunfähigkeit. Auch den Banken wird in diesem Zusammenhang mitunter ein Mitverschulden unterstellt, weil sie, so die Vorwürfe, Kreditlinien kürzen oder Kredite fällig stellen und die Unternehmen dadurch unverhofft in Liquiditätsschwierigkeiten bringen. Nur ein solides Liquiditätspolster kann Unternehmen vor diesen Unwägbarkeiten schützen.


Rating als Chance

Fremdkapital wird in Deutschland überwiegend von Banken zur Verfügung gestellt und zwar über alle Fristigkeiten hinweg. Die Anforderungen aus Basel II sind mittlerweile konkret genug, um von den Banken als Grundlage für neue, aussagekräftigere Rating-sys-teme verwendet zu werden. Obwohl einzelne Parameter und deren Gewichtung nur in seltenen Fällen offen gelegt werden, können sich die Unternehmen an den veröffentlichten Kriterien oder auch an den Anforderungskatalogen externer Ratingagenturen orientieren. In der deutschen Tradition ist das externe Rating noch nicht verankert. Derzeit stehen nur 50 deutsche Unternehmen auf der Liste der Rating-agentur Moody. In der Regel löste der Gang an den Fremdkapitalmarkt den Ratingprozess aus. Bis vor wenigen Jahren gelang es Unternehmen auch ohne externe Bonitätseinschätzung Fremdkapital einzusammeln, heute dagegen sind Unternehmensanleihen ohne Rating kaum noch zu platzieren. Künftig gewinnen diejenigen Finanzierungsformen an Attrak- tivität, die exakt planbar und bilanzschonend sind oder sich im Idealfall gar gänzlich außerhalb der Bilanz abspielen. Dieser Trend betrifft auch mittelständische Unternehmen. Zwar benötigen sie in der Regel kein externes Rating, da die Banken im Rahmen der Kreditvergabe als Ratingagentur und Anleger in einer Person auftreten. Dennoch tun auch mittelständische Unternehmen gut daran, sich mit den bewährten Kriterien der Ratingagenturen zu beschäftigen, auch wenn der Gang an den Kapitalmarkt nicht unmittelbar bevorsteht.


Fazit

Es ist an der Zeit, den lange prognostizierten Wandel in der Unternehmensfinanzierung einzuläuten. Trotz der Finanzierungsschwierigkeiten haben viele Unternehmen noch nicht mit der Restrukturierung ihrer Passivseite begonnen. Die Banken bemängeln seit Jahren die im internationalen Vergleich niedrige Eigenkapitalquote. Lösungsmöglichkeiten für mittelständische Unternehmensfinanzierung bieten neben Mittelstandsfonds auch Factoring und Leasing. Zudem lohnt ein Blick über die Bilanz hinaus: Über professionelles Cash Management und eine Optimierung des Treasury lässt sich zusätzlich Liquidität schaffen. Viele Unternehmen beginnen, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Neue Finanzierungsstrukturen werden sichtbar und ergeben sich primär aus dem internationalen Vergleich. Bankkredite sind in anderen Ländern für alle Unternehmen verfügbar, weil Banken dort mit Krediten an Unternehmen Geld verdienen. Auch die deutsche Kreditlandschaft beginnt sich zu wandeln: Die Banken werden die Zurückhaltung überwinden, und die Unternehmen lernen derzeit, dass eine schlechte Bonität eine höhere Risikoprämie erfordert in anderen Ländern ist dies bereits eine Selbstverständlichkeit.

 

 

Tipp 1

Ratingfirmen klassifizieren Unternehmen von AAA bis D. B-geratete Unternehmen weisen eine mittlere Qualität, aber mangelnden Schutz gegenüber sich verändernden Wirtschafts- entwicklungen auf.

Tipp 2

Die deutschen Finanzentscheider setzen künftig vor allem auf die alternativen Finanzierungen Leasing und Factoring. Auf der
Eigenkapitalseite identifizieren sie dagegen kein Finanzierungsinstrument der Zukunft.

Tipp 3

Liquidität, langfristige Verfügbarkeit der Finanzierungsmittel und Alternativen zum Bankkredit beschäftigen die deutschen Finanzentscheider am stärksten. Die Kosten der Finanzierung haben dagegen an Bedeutung verloren.

Tipp 4

Die Unternehmen in Deutschland sind stärker auf die Banken fixiert und nutzen weniger Finanzierungsinstrumente als in anderen Ländern.

 

VITA

Bernd Alster ist Jahrgang 1948, Lehre als Bankkaufmann, Leiter Kredit Firmen, Organisations- und Vertriebsleiter Privatkundengeschäft für große deutsche Geschäftsbanken in Freiburg, Stuttgart und Frankfurt. Seit 2001 in Freiburg selbstständig, mit Kernkompetenz finanzwirtschaftliche Beratung mittelständischer Unternehmen und Ratingberatung, vom Ratingverband deutscher Ratingagenturen und vom BDU zertifizierter Rating-Advisor.

 

Zum Seitenanfang